Auszug aus Tagebuch-Aufzeichnungen / Transkription: Rolf Schönberg

Ich wurde am 18. August 1880 zu Frankfurt an der Oder geboren. Mein Vater Eugen von Steuben war damals Hauptmann im Leib-Grenadier-Regiment Nr. 8, meine Mutter Marie ist eine geborene Paschke († 1904), Tochter eines Rittergutsbesitzers in Lübben (Niederlausitz). Meine Mutter ist die zweite Frau meines Vaters. In erster Ehe, aus der mein Stiefbruder Eugen hervor-gegangen ist, war er mit der Schwester meiner Mutter verheiratet.

Mein Großvater väterlicherseits war bereits 1878 als Königlicher Oberforst-meister in Frankfurt/Oder gestorben. Seine Frau Marie, geb. von Loeben († 1883), lebte mit ihrer Tochter Therese († 1897) gleichfalls in Frankfurt, während meine Großmutter mütterlicherseits, eine geborene von Leyser schon lange gestorben war († 1857). Von den Geschwistern meines Vaters lebte damals außer meiner Tante Therese nur noch ein Bruder, Königlicher Oberförster in Falkenberg bei Torgau († 1890), auf derselben Oberförsterei, die einst mein Großvater gehabt hatte. Der älteste Bruder hatte als Garde-Artillerist seinen Tod zu Berlin gefunden.

Von den Geschwistern meiner Mutter war die älteste, Anna, mit dem Generalmajor von Trebra († 1905), und Clara, mit dem Verlagsbuchhändler Otto Klasing in Leipzig verheiratet. Ihr Bruder Max war Kaufmann.

Am 18. Oktober 1880 erhielt ich in der Taufe den Namen Kurt Karl Eugen.

Anfang 1881 wurde mein Vater in das Infanterie-Regiment Nr. 98 nach Brandenburg/Havel versetzt und nahm mit seinem Bruder Richard und fünf anderen Offizieren unseres Namens an der großartigen Yorktownfeier als Gäste der Vereinigten Staaten von Nord-Amerika teil.

Meine weitgehendste Erinnerung ist der Besuch auf der Oberförsterei Falkenberg (1882), wo mir ein Perlhuhn auf den Kopf flog.

1884 erfolgte durch die Versetzung des Regiments 98 unsere Übersiedlung nach Metz. Im Herbst 1886 kam ich zur Schule, die mir gleich von vornherein sehr wenig zusagte und mich auch nicht zum Liebling meines sehr tüchtigen Lehrers Kothe machte. Einen sehr guten Kameraden und Gesinnungsgenossen fand ich in Hugo Rossbach. Als kleine Stifte schlossen wir uns gern den Banden älterer, etwas rauhbeiniger Jungens an, um dann auf der Metzer Esplanade , auf der Mosel und auf der großen Insel vor der Stadtumwallung unser Unwesen zu treiben. So wurde ich ein fauler, unaufmerksamer Schüler, war aber auf nichts mehr stolz als auf die Courage, die ich mir im Klettern und Springen erworben hatte.

In der Familie fühlte ich mich nicht immer ganz so glücklich, denn die Art, in der sich mein sechs Jahre älterer Bruder entwickelt hatte, war geeignet, jedes frohe Zusammensein der Familie zu stören. Er hatte von klein auf einen wahren Hang zur Bosheit. So war es ihm ein ausgesprochener Genuß, seine Mutter zu kränken und dann auf das Verhältnis zur Stiefmutter zu pochen, um dann bei seinem Vater nicht so ganz ohne Rückhalt zu sein. Die zeitweise Strenge meines Vaters vermochte gegen diese brüderliche Boshaftigkeit nichts auszurichten; dauernd geneckt und gehänselt, wich ich meinem Bruder meist aus. Meine größte Freude war, wenn ich bei meinem Vater exerzieren durfte und als kleiner Neunjähriger mit dem Mausergewehr stramme Griffe machte, dass meine Schultern oft ganz blau waren. In einer rührenden Weise wurden mir von meinen Eltern fast alle Wünsche erfüllt, so dass ich bald mit einer Unmenge von militärischem Spielzeug unter meinen Altersgenossen so eine Art Generalsstellung einnahm.

Ein andere großer Anziehungspunkt war der Pferdestall. Nicht nur um beim Füttern und Putzen der Pferde zu helfen, trieb ich mich im Stall umher. Manchmal erklomm ich auch den grobknochigen Staatsgaul des Vaters, um auf seiner breiten Kruppe ein Märchenbuch zu verschlingen. Auf einem kleinen braunen Wallach machte ich meine ersten Reitübungen und die schönsten Tage waren es, wenn ich meinem Vater nach Frescaty entgegenlief, um mit seinem Bataillon zusammen zu Pferd in Metz einzurücken. Etwas was dieses ungehinderte Genießen meiner Passionen sehr verbitterte, war meine wenig widerstandsfähige Gesundheit.

Einige nette Reisen unternahmen wir damals auch. Einmal waren wir bei den Verwandten in Leipzig, einmal in den Vogesen und bei Trebras in Neu-Breisach. Am schönsten war es natürlich auf der Oberförsterei in Falkenberg (1888).

Die Verhältnisse, die durch die Eigenschaften meines Bruders hervorgerufen wurden, spitzten sich immer mehr zu. Eugens Lebenswandel war so, dass der Pfarrer Schwierigkeiten machte, ihn zu konfirmieren (1889). Häufige unangenehme Szenen trugen dazu bei, dass meine Mutter - nachdem eine Erholungsreise an den Vierwaldstädtersee nicht viel genützt hatte - in eine Nervenheilanstalt nach Bonn musste (1890). Meine Tante Therese übernahm nun den Haushalt.

Mein Bruder verschlimmerte sich in einer Weise, dass man sich entschloß, ihn in ein Irrenhaus zu schicken (1891), da es für ein Korrektionshaus bereits zu spät war. Bei einigen Gräuelszenen muss wohl auch krankhafte Veranlagung mitgewirkt haben. Unvergeßlich ist mir die verwüstete Stube, in der Eugen die Tante zu Boden geworfen und zwei Lampen gegen uns geschleudert hatte, bis er schließlich von beiden Burschen überwältigt wurde. In solchen Fällen handelte es sich meist um eine Gelderpressung und leider nie ohne Erfolg.

Ein kleiner Ersatz für die fehlende Mutter in diesen Zeiten war das herzliche Entgegenkommen seitens der Familien des Regimentes. In erster Linie Regenauers, bei Briesens und Wunschs. Auch in der Familie meines Schulfreundes Hans Jobst erlebte ich schöne Stunden. Auch meiner kleinen Freundin Martha Dombrut muss ich hier gedenken.

Im Herbst 1891 stand die Versetzung meines Vaters bevor. Meiner Mutter ging es so, dass sie bald zurückkehren sollte, jedoch erst in die neue Garnison. Ich ging auch nicht erst in das neue Schulsemester, um das wenige was ich gelernt hatte, ganz zu verlernen.

Anfang 1892 erfolgte die Versetzung nach Mainz, nachdem ich herrliche Zeiten mit meiner Mutter auf dem Gut meiner Großtante Frau von Vohs († 1896) in Pretschen im Spreewald erlebt hatte. Zu dieser Zeit passierte es mir als einem elfjährigen kleinen Strolch zum ersten Mal, dass ich mein Herz verlor und zwar an das Töchterlein eines benachbarten Gutsbesitzers.

Das Mainzer Leben unterschied sich wenig von dem Metzer. Mein Bruder war aus der Irrenanstalt ausgebrochen und suchte uns längere Zeit heim, um dann nach Amerika zu gehen. Durch Mitleid erregende Briefe erwirkte er sich jedoch schon bald die Erlaubnis seines Vaters zurückkommen zu dürfen, um dann Jahre lang untätig umher zu laufen.

In der Schule erlebte ich die schmerzlichsten Enttäuschungen und gesundheitlich ging es auch nicht glänzend, denn ich hatte viel unter unerträglichen Schmerzen zu leiden. Sehr netten Verkehr hatte ich durch die Familie Ludwiger und Horst von Ludwiger kann ich wohl als den liebsten Freund aus meiner Kindzeit bezeichnen.

Unsere Pferde standen in der Nähe des Gau-Thores. Ich erhielt eine Erlaubniskarte zum Betreten der Festungswerke. Dort führte ich mit meinen Schulfreunden das reinste Soldatenleben. Manchmal saß ich dann sehr stolz zu Roß, um meine Soldaten zu besichtigen. Dabei turnten wir und schossen mit Gewehren und Pistolen, dass jeder, der uns zusah, ganz überrascht war (1893). Meine Hauptfreunde hierbei waren Kurt Gerok und Eduard Eidenmüller. Mit ersterem machte ich große Bleisoldatenschlachten, für die wir in tagelanger Vorbereitung ganze Länder bauten, um dann mit Messingkanonen die fürchterlichsten Kanonaden zu machen. So manche Pulverwolke und Fensterscheibe ging dabei mit Krach in die Luft. Eidenmüller war mein Hauptgenosse in allem, was gewagte Unternehmungen betraf. Einstmals brachen wir ein Fenstergitter einer alten kleinen Befestigung zwischen Gau- und Binger Thor ein und gerieten, nachdem wir eine Treppe hinabgestiegen waren, in ein Labyrinth von unterirdischen Gängen. Nun suchten wir uns unsere mutigsten Klassenkameraden aus, um ausgerüstet mit Laternen, Dolchmessern und Pistolen unterirdische Entdeckungsreisen zu machen. In unserer Phantasie erlebten wir dann die schrecklichsten Sachen, wenn wir auf eingefallene Minengänge und Kaninchenknochen stießen. Besonders groß war die Erregung, als uns einmal die Streichhölzer fehlten, um die ausgegangene Laterne wieder anzuzünden.

Mein Vater beschäftigte sich sehr viel mit mir. Oft machten wir Ausflüge in den Taunus und rheinabwärts. Dann quälte ich ihn, mir Geschichten aus den drei Feldzügen, die er mitgemacht hatte, zu erzählen. Oder wir besprachen meinen Wunsch, später auch einmal Soldat zu werden. Ich entsinne mich noch sehr gut des Tages, an dem ich gewissermaßen gegen die Tradition der Familie beschloß, Kavallerist zu werden. Der Pferde meines Vaters muss ich hier noch gedenken, ein famoser eleganter Schimmel und mein alter Metzer Freund „der Dicke“, eine Art Bierwagenpferd, auf dem ich öfter meine Reitstudien machte. Beide standen unter der Obhut meines immer hochgeehrten Freundes, des Musketiers Leiting.

Ein großer Anziehungspunkt für mich war der Kasinogarten am Binger Thor. Dort versammelten sich fast jeden Sommernachmittag die angehenden Damen und Herrn der Offiziersfamilien und da ich mich schrecklich in die Tochter eines Hauptmanns – eine kleine kühle Blonde – verliebte, vernachlässigte ich sogar die strenge Arbeitsstunde, um mich im Minnedienst zu üben.

Eine sehr nette Reise (1894) machte meine Mutter mit mir, um die, ob der Faulheit ihres Großneffen baß entsetzte Tante Vohs im Spreewald und Fräulein Pothoff, die alte Erzieherin meiner Mutter, in Rheinsberg an der märkischen Saar zu besuchen.

Im Dezember 1894 verließen wir das schöne Mainz, da mein Vater zum Oberst und Kommandeur des 26. Regiments in Magdeburg ernannt worden war. Gesundheitlich ging es mir nicht besser, und auf dem Gymnasium machte ich gänzlich fiasco. Ich war noch dazu in das schöne Alter gewachsen, das man die Flegeljahre nennt und muss sagen, dass ich mit meinem Freunde Max Lenné zusammen es den Lehrern wohl schwer machte. Andererseits begegnete ich aber auch einer Pedanterie und Rücksichtslosigkeit, die erstaunlich war.

Doch an Freude außerhalb des Schulbereiches fehlte es wieder nicht. Mit Walter von Geldern zusammen bekam ich auf dem Schimmel meinen ersten Reitunterricht und erregte die große Zufriedenheit meines Train-Sergeanten, der aber, wie ich jedermann versicherte, früher mal Dragoner gewesen war. Auch in der Turnhalle erwies ich mich brauchbar, was allerdings damit endete, dass ich mir ein Bein brach.

Obwohl ich nun anfing, ein wenig älter zu werden und als erster die Würde der langen Hosen und Konfirmandenunterricht bekam, hörte ich nicht auf, mit Bleisoldaten zu spielen. Im Gegenteil, zu jeder Schlacht, die geliefert wurde, zeichnete ich mehrere Pläne. Die Sache begann einem Kriegsspiel, wie es im Offizierkorps gespielt wurde, ähnlich zu werden.

Ein recht schmerzhaftes und die Flegeljahre charakterisierendes Zwischenspiel, das ich damals natürlich sehr ernst nahm, zeichnete den Magdeburger Aufenthalt aus. Bei einer Harzpartie verliebte ich mich in Julia, die Tochter eines Magdeburger Offiziers dermaßen, dass ich mich aufs Dichten verlegte. Doch ganz so schlimm kann es wohl nicht gewesen sein, denn wenn mich das nötige poetische Empfinden im Stiche ließ, wandte ich mich stets vertrauensvoll an meinen Freund Erich Clemens. Eines Abends kurz nach dem Geburtstage meiner Mutter gaben meine Eltern einen Ball, zu dem auch die Eltern der angebetenen Julia zugesagt hatten. Diesen Abend benutzte ich, band alle Geburtstagssträuße der Frau Mama in ein Riesenbouquet zusammen, bewaffnete mich mit einem Marzipan-Herz, revidierte mit Erich das letzte Gedicht, schrieb es fein säuberlich ab und klingelte bei Julia. Sie öffnete selbst und meine Überraschung war so ungeheuer, dass ich ihr nur das dreifache Geschenk in die Hand drückte, um mit hochrotem Kopf sofort zu verschwinden. Dieses Unternehmen blieb jedoch nicht unbemerkt. Julias ältere Schwester deklamierte mein schönes Lied in einer Gesellschaft von 100 Personen, so dass sich die Leute vor Lachen schüttelten und Julia, die in der Schule während des Unterrichts mit meinem poetischen Erguß renommierte, musste eine Stunde nachsitzen.

In diese Zeit fällt ein Ereignis, dass mir begreiflicherweise außerordentlich nahe ging. Mein Vater, in dem ich stets das Ideal eines tüchtigen Offiziers gesehen hatte, und der, wie mir oft von Freunden erzählt wurde, auch als Mensch von seinen Untergebenen so ungeheuer geschätzt wurde, erhielt vielleicht gerade aus letzterem Grund, den blauen Brief. Im April 1896 nach meiner Konfirmation siedelten wir daher nach Blankenburg am Harz über.

Blankenburg ist ein sehr nettes am Rand des Harz gelegenes Städtchen, reich an Naturschönheit. Durch eine Ausfahrt hatte ich es bereits von Magdeburg aus kennengelernt. Meine Eltern kauften ein ganz hübsches alleinstehendes Haus, bei dem ein recht netter Garten angelegt wurde. Das Nachbarhaus kaufte ein Herr Lüders, mit dessen Familie wir in näheren Verkehr traten. Mein Schulfreund war Erich Stinderin, dessen Verwandte Hahns in Röderhof am Harz wir oft besuchten und uns dann im Kreise trunkfester Männer häufig des Guten zuviel taten. Turnerisch waren wir beide auch sehr eifrig. Mein Tagebuch berichtet über den 5. August 96: “Ich springe jetzt 1,60 m mit drei Schritt Anlauf und 1,20 m Schlußsprung.“ Das ist allerdings eine Leistung, die auch erwachsene Turner nur selten erreichen.

Etwas anderer Art ist der Bericht von Sonntag, den 8. November 1896: „In der Nacht wachte ich durch furchtbaren Spektakel auf. Als ich endlich wieder einschlief, kam Papa um 8 Uhr zu mir und erzählte, dass ich eine Schwester bekommen hätte, worauf ich ihn furchtbar auslachte. Endlich musste ich es aber glauben“.

Meine Freude hierüber war nicht allzu groß: „Mama und der Kleinen, die Hildegard heißen soll, geht es sehr gut.“ Zwei Tage später: „Meine kleine Schwester ist 49 cm groß (der kleine Finger nur 2 ½). Vorläufig liegt sie in einem Waschkorb und niest sehr viel, wobei sie sich immer rumdreht. Papa nennt sie nur Thusnelde.“ Ein ereignisreicher Tag war die Taufe Thusneldens. Ich selbst stand natürlich im Konfirmationsanzug als Pate da. Dann hieß es von neuem alle Kraft zusammen nehmen und eine Dame zu Tisch führen.

Schmerzlich vermißte ich die Pferde. Ein kleiner Ausgleich war da für mich die Schönheit des Harzes, die ich gebührend zu Fuß und per Rad ausnutzte. Sehr nett war eine 4-tägige Radfahrt um den Harz mit einem Kyffhäuserbesuch. Auch nach Leipzig radelte ich einmal und besuchte die Klasings.

Die Gymnasiastenzeit wurde mir durch meinen Eintritt in den Schülerturnverein sehr versüßt. Da wurde stets stramm geturnt, bei allen offiziellen Gelegenheiten erschienen wir stolz in Uniform. Einmal im Jahre erlebte man dann das öffentliche Schauturnen mit dem darauffolgenden Ball.

Im Sommer 1897 spazierte ich auch in die Tanzstunde. Wir waren einige 20 Gymnasiasten und ebenso viele muntere Blankenburger Bürgermädchen. Natürlich fand ein jeder seine Dame, der er seine Dienste weihte. Herrlich war der Schlussball. Nachdem man sich ordentlich ausgetanzt hatte, sollte gegessen und dazu Wein getrunken werden. Das Essen ließ lange auf sich warten, aber der Wein, den so manches Dämchen vielleicht kaum einmal getrunken hatte, war zur Stelle und tat seine große Wirkung. Das war für mich der Tag des ersten Kusses und in meinem Tagebuch erklärte ich ihn für den schönsten meines Lebens. Diese Tanzfeste wurden später mit Harzpartien verbunden und dauerten noch zwei Jahre weiter. Hierbei freundete ich mich auch mit Curt Thesing und Wolf Behrens an, zwei selten begabten jungen Leuten.

Im März 98 bestand ich das Einjährigen-Examen. Der Sommer desselben Jahres brachte eine urfidele Zeit für mich, besonders durch meine Tennisliebe Fritzchen. Fritz Lüders (der als Fähnrich a. D. berechtigt war, sich „Hochwohlgeboren“ zu schreiben und in der Mobilmachungsliste als Offizier geführt wurde), Hans Lüders, Erna und Frieda sahen uns durch einen abschüssigen Bauplatz mit zahlreichen Maulwurfshaufen veranlaßt, einen Tennisklub zu gründen. Frieda oder Fritzchen, unter diesem Namen kannte man die forsche Majorstochter besser, war die Seele des Ganzen und hatte uns so im Schlepptau, dass unsere Herrn Eltern häufig mißbilligend den Kopf schüttelten.

Eins unserer schönen Tennisspiele wurde sehr gestört durch das plötzliche Erscheinen meines Bruders, der, wie es hieß, in Berlin studierte. Ich sah ihn unser Haus betreten und eilte sofort dorthin und ließ meinen Vater holen. Kaum hatte ich mich nach dessen Eintreffen wieder entfernt, als ich erfuhr, Eugen habe meinen Vater mit einem geladenen Gewehr bedroht. Ich stürzte sofort mit einem Revolver zum Hause und als ich sah, wie Eugen mit dem Stocke gestikulierte, spannte ich den Revolver - in der Aufregung ging mir der Schuß ins Blaue hinein los. Eugen stürzte auf mich zu, wurde jedoch von Arbeitern, die gerade vorübergingen festgenommen und der Polizei übergeben. Was daraus wurde, habe ich nicht erfahren. Es scheint sich so mancherlei herausgestellt zu haben, denn mein Bruder wurde nie wieder für längere Zeit in Deutschland gesehen.

Der Abschluß der schönen Tenniszeit war geradezu romantisch. Fritzchen´s Eltern zogen fort und ein Abschiedsrendezvous wurde vereitelt. So stand ich denn sinnend mit meinem Intimus Hans Lüders nachts vor dem dunklen Haus des Majors. Schließlich entschloß ich mich, an Fritzchens Schlafzimmerfenster, das im ersten Stock lag, zu klettern. Und so ging es denn mit wahrer Todesverachtung an den Nägeln des Spalierobstes in die Höhe. Ich musste schnell klettern, denn die langen Nägel bogen sich unter mir. Der gute Hans hatte sich als Sprungfedermatratze ans Haus gestellt. Kaum hatte ich das ersehnte Balkonfenster neben dem offenen Schlafstubenfenster des Vaters erreicht, als Fritzchen auch schon (im tiefsten Negligé) an das Fenster trat. Wir hatten uns wohl nie weniger etwas Böses gedacht wie in diesem Augenblick des Abschieds.

Es ging mir damals besser, als ich es vertragen konnte. Ein unglaublich törichter Gymnasiastenstreich machte meinem Schulleben ein Ende. Mit einigen Genossen, darunter auch Hans Lüders, brach ich eines Nachts im Gymnasium ein, um das Klassenbuch, das gar nicht einmal schlecht über uns berichtete, wegzunehmen. Man zeigte die Sache der Polizei an. Als aber verkündet wurde, es träte nur Bestrafung von Seiten der Schule ein, zeigte uns der Pensionsvater eines der Mitschuldigen (auf Wunsch seiner Frau) an. Es gelang uns aber wenigstens, einen von uns zu verheimlichen. Wir andern wurden in milder Form von der Schule entfernt. Man war nahe daran, uns diesen kindischen Streich zu verzeihen, jedoch zu unserem Pech saß der Blankenburger Seelsorger im Gericht.

So kam ich auf die Presse Fischer in Berlin, um mit meiner minderwertigen Schulbildung nach sechsmonatlichem fleißigen Arbeiten durch das Primanerexamen zu fallen (1899). Schweren Herzens entschloß sich mein Vater, ein Gnadengesuch um Erlassung der Primareife - was damals allerdings etwas sehr häufiges war – einzureichen. Es wurde bewilligt. Beim Thüringischen Ulanen-Regiment Nr. 6 wurde ich dann als Fahnenjunker angenommen, nach dem man mir noch einmal dringend geraten hatte, Garde-Infanterist zu werden.

Unsere „Einbruchsgeschichte“ war inzwischen von einem Staatsanwalt aufgegriffen worden. So kam es nun, dass wir Attentäter alle ganz ernsthaft verhört wurden. Im Moabiter Kriminalgericht wurde ich wegen des Klassenbuches verhört, an demselben Tisch verhörte man gleichzeitig Leute wegen Totschlags. Unser Kinderstreich wurde ernst genommen und wir armen Kerle ganz gehörig geängstigt. Durch einen Gnadenakt des Prinzregent von Braunschweig wurde das gerichtliche Verfahren, das bei vielen Heiterkeit erregte, eingestellt. Nun begann die Vorbereitung zum Fähnrichsexamen, das ich im August 1899 bestand.

Trotz vielen Ochsens - 9 (!) Stunden täglich Unterricht und zudem noch häusliche Arbeiten - verlebte ich doch eine ganz schöne Zeit in Berlin. Ich wohnte in der Fremdenpension der Frau von Beyer, einer Tante 2. Grades von mir. Dort gingen viele Ausländer ein und aus, meist jedoch Skandinavier und Amerikaner.

Mit einer sehr schönen, blauäugigen Schwedin, Helga, freundete ich mich sehr an. Im Winter gingen wir öfter zusammen ins Opernhaus, manche schöne Sommernacht verbrachten wir dagegen spazierengehenderweise im Tiergarten. Ich besuchte sie auch viel in ihrem Zimmer, um ihrem wunderbaren Klavierspiel zuzuhören. Das wurde mir jedoch sehr bald von der ehrenwerten Tante, die mit Passion am Schlüsselloche stand, verwehrt. Es half ihr aber nichts. Helga wohnte im Nachbarzimmer von mir und meinem Freund Ralph Belknap, einem jungen Amerikaner. Ich kletterte dann unbekümmert um die Höhe von vier Stockwerken am Hause nachts entlang, um mit Helga unvergeßliche Stunden zu verleben.

Dies und mein Freund Ralph, der wirklich ein ganz erstklassiger Mensch war, bewahrten mich vor einem Versinken im Preßstumpfsinn oder einem Bummelleben, wie es die meisten Pressiers führten. Wenn Helga und ich uns auch nie abfassen ließen, so zogen wir uns doch Frau von Beyers höchsten Zorn zu und als ich nach mißglücktem Examen auf die Presse Ulich übersiedelte, wechselte ich auch die Pension. Der Zufall führte Helga, die ebenfalls wechselte, in dasselbe Haus. Sie wohnte in einer größeren Gesellschaft und ich eine Treppe höher in einer kleinen Pension bei einer fidelen Rechtsanwaltswitwe, einer Frau Berger. Es dauerte auch garnicht lange, da kam aus eigenstem Antriebe mein amerikanischer Freund in meine Pension. Eine sehr nette Freundin Helgas (Til Wall) war ebenfalls dort und so hatte ich für die kurze Zeit, die mir das bevorstehende Examen ließ, die reizendste Geselligkeit. Im August 1899 wurde ich einberufen. Man wohnte zum Zweck der Examina eine Woche lang recht vergnügt, wurde aber tagsüber geistig ganz gehörig ausgequetscht.

Ich bestand glücklicherweise und verließ Berlin, um mich nach kurzem Urlaub in Hanau beim Thüringischen Ulanen-Regiment Nr. 6 zu melden. Das Regiment war noch im Manöver, als ich mich am 18. September draußen am Cambrywald beim Wachtkommandanten meldete.

Allmählich war ich 19 Jahre alt geworden, aber nicht nur im Aussehen sondern auch im Wesen ein vollkommenes Kind geblieben. Als ich das erste Mal stolzerfüllt in der schönen Ulanenuniform über die Straße ging, riefen mir zu meinem Entsetzen die Straßenkinder nach: „Ui! Das ist ja noch ein Bub.“ Der über mich ausgefertigte ärztliche Bericht lautete: Fahnenjunker von Steuben, Sehschärfe 1/20, Gewicht 55 kg, Größe: 1,72 m, Brustweite 76 - 84 (also 10 cm zu gering).

Bald begann jedoch der Ernst der Sache. Dreierlei nahm mich ganz gehörig in Angriff. Der Dienst, das Kasino und eine Horde wenig netter Fähnriche, die zum Teil auch sehr bald scheiterten. Im Dienst ging es toll her. Ich wurde mit den Rekruten zusammen ausgebildet und habe wohl dem letzten Jahrgange angehört, dem eine dermaßen rüde Behandlung zuteil wurde, wie sie heutzutage einfach ausgeschlossen ist und auch damals nur in Eskadronen vorkam, in denen sich der Rittmeister eben um nichts kümmerte. Ein ganz einzigartiger Mensch war Leutnant Freiherr v. d. Osten-Sacken, ein Rekrutenoffizier. Einen halben Kopf kleiner als der kleinste Rekrut, unproportioniert und etwas veralkoholisiert, letzteres hielt er übrigens für kolossal forsch. Infolge seines Exterieurs war er entsetzlich mißtrauisch, er könne von irgend jemand nicht genügend respektiert werden. In der ganzen 1. Schwadron waren Zustände, die was die Behandlung der Untergebenen und den Verkehr der Ulanen untereinander betrifft, an Bosheit jeder Beschreibung spotteten. Der kleine Sacken hielt eigentlich jeden Dienst mit gezogenem Säbel ab. Noch schlimmer war mein Berittführer Sergeant Seese, bei diesem äußerte sich die Bosheit in krankhafter Weise. Er biß die Leute beim Reitunterricht durch die Lederhosen, stach beim Turnen mit Nadeln und schlug sie braun und blau. Das Merkwürdigste war, dass sich keiner beschwerte, eine solche Gewalt übte er über seine Rekruten aus.

Als Fahnenjunker wurde ich natürlich nicht angefaßt, aber dafür habe ich zum Beispiel solange in Kniebeuge stehen müssen, bis ich umfiel, und oft habe ich mich, wenn ich nachts aus dem Kasino nach Hause kam, hingesetzt, um auf Befehl des Sergeanten 500 mal aufzuschreiben „Ich soll aufpassen“.

Das Kasinoleben und manches andere gebe ich am besten durch meinen Tagebuchbericht wieder: „Unsere Offiziere sind fast ohne Ausnahme intelligente Menschen, die jedoch an Dienst nicht mehr tun, als der vorgesetzte Kommandeur angesetzt hat und dies nur unvollkommen. Blasiert ist keiner, aber jegliches bessere Streben scheint nicht vorhanden. Großartig ist die Offenheit, mit der jeder sich gibt, wie er ist. In der Unterhaltung zeigen sich die meisten schlimmer als sie sind. Die Schweinerei ist oben auf und diejenigen, welche Kadetten waren, leisten natürlich ganz besonderes. Die Kameradschaft könnte besser sein, doch am Rhein soll es ja damit nicht so gut bestellt sein. Es kommt hinzu, dass der Offizierersatz im 6. Ulanen-Regiment ein besonders ungleichmäßiger ist. Die Unteroffiziere, meist aus Thüringen, sind wie stets bei der Kavallerie sehr roh und vergeben sich leicht was vor den Leuten. Die Unteroffiziere gängeln die Leute vielfach und jeder krumme Zweijährige fühlt sich seinerseits berufen, die Rekruten zu schlagen“.

Die ersten 6 Wochen, in denen ich jeden Stalldienst mitzumachen hatte, waren einfach furchtbar. Vor 4 Uhr aufgestanden und bis ¼ 7 im Stall geputzt. Von 7 - 8 Inspektion, von 8 - 9 (eigentlich dienstfrei) gesattelt, von 9 - ¾ 11 Reiten. Bis fast ½ 1 Stalldienst. Dann große Reinigung und zum Frühstück ins Kasino geeilt, von ½ 2 - 2 Tränken der Pferde, von 2 - ½ 5 Fußdienst. Um 7 Uhr hatte ich in tadelloser Verfassung - bei den von Pferdejauche und Frost ruinierten Händen war das nicht so einfach - im Kasino zum Essen erscheinen. Durchschnittlich ging ich dann um 11 Uhr nach Haus. Ging mal etwas beim Fußdienst schlecht, so wurden wir einfach in den tiefen Sand des Reitplatzes geschickt und machten ½ - 1 Stunde ohne Unterbrechung Laufschritt. Einmal mussten wir im kompletten Anzug eine ganze Stunde lang durch den Sand laufen und gleichzeitig Lanzendeckungen machen. Eine andere Schinderei, die mir aber gewöhnlich viel Spaß machte, war der Springgarten. Dann ging es ohne Bügel und Zügel mit „Hüften fest“ unter Hersagen des 2 ten Kriegsartikels über die Hindernisse. Sehr ulkig war es, wenn dann bei der Stelle „Mut bei allen Dienstobliegenheiten“ wir mit einem Angstschrei runtersausten. Dieser ganz gute Witz hat jedoch manchen ins Lazarett gebracht.

Ein herrlicher Dienst waren die Reitjagden, die ich sämtlich mitritt. Prächtiges Gelände, bald ging es durch schöne Wälder, bald über Felder und durch Sümpfe, bald über schöne Wiesen mit breiten Wassergräben. Ein Bach war so breit, dass die meisten Pferde nur mit den Vorderhufen das andere Ufer erreichten, um dann klatschnaß nach sekundenlangem Ringen glücklich weiterzugaloppieren. Oft ging es über Chaussedämme und einmal 3 Meter steil bergab durch fließendes Wasser und so weiter . Wenn ich dann auf meinem „Titus“ dahingaloppierte, konnte ich aufatmend Seese’s Galgengesicht vergessen. Auch Herrn Leutnant v. Sacken, dessen Pferde sehr häufig refüsierten. Die Pferde, die ich ritt, waren Volte, Trenk, Brant und Baron. Der Baron war ein schneidiger Gaul, der hervorragend sprang. Er ging aber leider oft durch. So recht zum Kommißleben gehörte auch meine Stube, in der stets eine wüste Unordnung war und der Sand 1 cm hoch lag. Mein Putzer hatte ebenso wenig Zeit wie ich. Das war aber nur in der ersten Schwadron so.

Ganz anders war das Kasinoleben. Oft war es sehr fidel, meist langweilig. Zwei schlimme Sitten waren das Austrinkenmüssen, wenn einem zugeprostet wurde und vor allen Dingen der Zwang, das Kasino als Letzter zu verlassen. Die Fähnriche spielten eine ganz untergeordnete Rolle. Jede Anrede hatte man als Auszeichnung aufzufassen. Einige Herren waren jedoch so liebenswürdig dafür zu sorgen, dass ich wegen meines schlechten Magens geschont wurde.

Sehr nett waren die Liebesmähler. Zum Beispiel die Weihnachtsfeier. Es waren sehr viele Gäste da. Nach Verteilung ulkiger Geschenke - mir schenkte der sehr nette Leutnant Schwartz ein Paar Gefreitenknöpfe - wurde in animierter Stimmung die Tafel aufgehoben, dann auch getanzt. Da ich mir im Bewußtsein des Kommenden Mut angetrunken hatte, fiel ich oft hin und wäre fast vom fürsorglichen Onkel Hans - Rittmeister Nothmins - nach Hause gebracht worden. Danach wurde aus dem Stehgreif „Faust“ aufgeführt. Leutnant. von Querbeck, der Tonangebende und Hauptwitzbold im Kasino - Mephisto. Leutnant Schwartz - Faust. Mein Mitfahnenjunker, der gute dicke Gagern – Valentin. Und ich - Gretchen. Als Zöpfe fungierten zwei Strohseile.

Hinter der Kulisse wurde mit Gretchen so rumcharmiert, dass sich Mephisto genötigt sah, einige Leutnants per Schwert rauszubefördern. Wie ich dann gespielt habe, weiß ich nicht mehr recht, aber die alten Herren hielten sich die Bäuche vor Lachen und die jungen waren auf die Tische gestiegen, um besser sehen zu können. Ich erinnere mich noch, dass ich schwanger umherlaufen musste, dabei meine Last, eine Bettdecke, verlor und ganz erschrocken dabei stehen blieb, weil ich gar nicht wußte, wo das Ding eigentlich herkam.

Gemein wurde Gagern einmal behandelt. Er war zum Unteroffizier befördert worden. Es wurde ihm ein Stiefel Sekt (1 Liter) überreicht und er musste ihn leeren, ohne abzusetzen. Es folgten noch sieben Flaschen Bier, jede auf einen Zug. Der arme Kerl war natürlich viehisch besoffen, machte Radau, wurde dienstlich festgenommen und ungnädig entlassen.

An Geselligkeiten machte ich nur die großen Bälle mit, auf denen mir natürlich nichts anderes übrig blieb, als mich zu langweilen.

Am 1. März 1900 wurde ich Unteroffizier und am 18. April Fähnrich. Zu derselben Zeit verließ ich Hanau mit einem Seufzer der Erleichterung und meldete mich in Danzig zum neunmonatigen Kriegsschulkursus. Es war eine herrliche Zeit in Danzig. 90 gleichaltrige Kameraden mit den gleichen Interessen und der gleichen Lebenslust. Dann Danzig selbst mit seiner prachtvollen Umgebung und seinen Seebrücken!

Der Dienst, den man stets mit dem größten Humor erledigte, teilte sich in den Hörsaal und in den praktischen Dienst. Zu acht hauste man in einer Stube. Es ist schwer zu sagen, ob der

Radau am Tage oder des Nachts größer war. Ein dauerndes Gekreische. Manchmal wurde es toll und es kam vor, dass sich zwei mit geschliffenen Rapieren in der Turnhalle gegenüber traten, obwohl sie sich schon längst wieder vertragen hatten. Ohne auch nur eine Ahnung vom Fechten zu haben, prügelten sie dann auf einander los, bis nach Ansicht eines Offiziers genügend Blut abgezapft war, während die Sekundanten im Ordonnanzen-Anzug in dienstlicher Haltung danebenstanden.

Unsere Vorgesetzten, besonders der Kommandeur Oberstleutnant Freiherr von Baldenstein, waren ganz besonders liebenswürdige Menschen und gaben sich alle Mühe, uns das Leben leicht zu machen. Eine würdige Ausnahme bildete allerdings mein Inspektionsoffizier, ein Wurm, für den jeder Fähnrich ein Protz war. Dieser eigenartige Herr meldete mich mal ohne weiteres wegen Achtungsverletzung, so dass meine eben begonnene Laufbahn bereits ins Schwanken geriet. Für unsere Ausbildung wurde uns viel gezeigt. Wir sahen einen Teil der Flotte, hierbei das kolossale Panzerschiff „Kaiser Wilhelm II“, die Marienburg, die hochinteressanten Panzerwerke von Thorn und Graudenz, das Schießen der Küstenbatterien und der schweren Artillerie bei Thorn.

Der Höhepunkt der schönen Zeit war ein großes Sommerfest, das wir zum Besten des Roten Creuzes gaben. Da gab es Quadrillen und Voltigieren zu Pferd, Fahrschule, Ten de rose, Turnen und eine große Landsknechtsaufführung. Da ich von meinen Kameraden körperlich der gewandteste war, hatte ich natürlich ordentlich mitzumischen und mit hämischem Grinsen merkte ich, dass, als ich man mich an meinem Geburtstage wegen Urlaubsüberschreitung eingesperrt hatte, die Probe ohne mich schlecht zu bewerkstelligen war (das Voltigieren gelang aber auch prachtvoll und wurde im Zeitungsbericht, als einer Zirkusvorstellung gleichwertig bezeichnet). Bei der Landsknechtsaufführung spielte Fräulein von. B., eine sehr nette junge Dame von auffallender Schönheit, als Germania die Hauptrolle. Man kann sich wohl denken, wie die lieben Fähnriche für ihre Germania schwärmten und ich war nicht wenig stolz und glücklich, als sie mir beim Tanzen ein Blatt aus ihrem Eichenkranze schenkte.

Der Liebste unter den vielen guten Kameraden war mir Moldzio von den 11. Dragonern. Auch mit Plüzkow, dem Riesen, war ich viel zusammen und eine urfidele Woche verlebte ich mit Westermann und Friederici im Ostseebade Cranz.

Zum Regiment zurückzukehren, hatte ich als das Examen nahte, wenig Lust. Da jedoch meine Bemühungen fehlschlugen, zu einem anderen Regimente, das mich auch annahm versetzt zu werden, musste ich, nachdem ich das Offizierexamen bestanden hatte, doch wieder in die verhaßte Kaserne am Cambrywalde zurück.

Ich wurde aber sehr nett in Hanau aufgenommen und am 18. Januar 1901, bei der Feier des 200jährigen Bestehens Preußens, zum Offizier befördert und sah so den sehnlichsten Wunsch meiner Kinderzeit, mal Kavallerieoffizier zu werden, erfüllt.

 


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