Am 28. April 1812 sorgt
in Brandenburg ein Vorfall für Aufsehen, über
den der Stadtschreiber August Emelius im
„Brandenburger Anzeiger“ ausführlich
berichtet: Auf Beschluß der Stadtväter
werden damals einige baufällige Anbauten der
Sankt Johannis Kirche abgerissen –
die reformierte Gemeinde hat sich geweigert, die Reparaturkosten
zu tragen. Dabei stößt man auf ein überirdisches
Gewölbe mit einem Sarg: Darin eingebettet ein
weiblicher Leichnam, bekleidet mit einem Sterbehemd,
einer Spitzenhaube und weißen Handschuhen. An
der Eingangstür eine schwarze Marmortafel mit
goldener Inschrift: „Frau Charlotte Dorothee
von Steube, geb. Gräfin von Effern Ruhekammer
MDCCXXXIII (1733).
Die Eintragung im Kirchenbuch der deutsch-reformierten
Gemeinde bestätigt die Identität der Toten:
„Den 23. April 1733 gegen 1 Uhr ist im Herrn
bei gutem Verstande entschlafen und am 28. Gegen Abend
mit allen Ehren in der altstädtischen Klosterkirche
in das Gewölbe, welches ein Hochedler Rat derselben
gütigst eingeräumt, mit Lichtern beigesetzt
worden, die hochgeborene Gräfin von Effern, mein,
Augustinus von Steube, hoc tempore Ersten Reformierten
Prediger allhier, liebst gewesene Frau Gemahlin, in
45 Jahren weniger etliche Wochen unseres Ehestandes,
darin sie Gott mit 10 Kindern, 7 Söhnen und 3
Töchtern, gesegnet und im 70. Jahre ihres Alters
zu sich gerufen hat, nachdem dieselbe bis an den zehnten
Tag an einem harten Schlagfluss sprachlos darniedergelegen“.
Vor allem der Zustand des Leichnams
ruft in der Fachwelt Erstaunen hervor, er ist 79 Jahre
nach der Beisetzung noch nicht in Verwesung übergegangen.
Der Körper ist mumifiziert, durch Eintrocknung
verhärtet und fühlt sich lederartig an.
Auch die Bekleidung und die Leinwand, mit welcher
der Sarg ausgeschlagen ist, zeigen sich gut erhalten.
Am 29. Mai 1812 wird die Tote von Medizinalrat
Dr. Sodel, Chefarzt im städtischen Krankenhaus,
Regiments-Chirurg Holzheuer und Stadtwundenarzt
Müller begutachtet. Ihr Bericht wörtlich:
„Das Gesicht mit den Mienen einer alten Frau,
sowie der unbedeckte Hals war blassbräunlich,
die Haut war fest auf die Knochen angespannt, der
Leichnam war ungemein leicht und roch etwas dumpfig,
ähnlich dem Geruch eines lange verschlossen Wäscheschranks.“
Verwunderlich: Der Sarg war bis zum Rand mit Hopfenblüten
angefüllt. Wurde die Tote dadurch auf geheimnisvolle
Art konserviert?
Vieles spricht dafür. Bei einer
umfassenden Renovierung der Kirche im Jahre 1905 wird
die Verstorbene umgebettet, der Sarg erneut geöffnet
– der Zustand des Leichnams ist immer noch unverändert.
Seitdem ruht die „Mumie von St.
Johannis“ unter dem Fußboden in der gewölbten,
zur Taufkapelle umgebauten Vorhalle der Sakristei.
Letzte Ruhestätte einer hochadeligen Dame, die
nur wenige Jahre nach Ende des 30-jährigen Krieges
geboren wurde und ihr Geheimnis wohl für alle
Zeiten bewahren wird.