Einige bürgerliche Familien wurden von den regierenden Fürsten und Landesherrn aufgrund besonderer Ver-dienste in den Adelsstand erhoben (sogenannter Briefadel), was für die Betroffenen einen erheblichen sozialen Prestigegewinn bedeutete und mit gesellschaftlichem Aufstieg verbunden war. Voraussetzung dafür war außer den nachweislichen Meriten ein einwandfreier Leumund und die Empfehlung eines meist aristokratischen Gönners. Nach dieser Maßgabe wurde offiziell auch die Familie von Friedeburg geadelt, die ihre Nobiliterung dem Diplomaten und Justitiar Christoph Erdmann von Steuben verdankt. Die Beziehung zu seinem bürgerlichen Adoptivsohn Ferdinand Stiefbold und die Umstände von dessen Erhebung in den Reichsadelsstand sind jedoch bis heute ungeklärt.

Ferdinand Stiefbold wurde urkundlich am 12. Januar 1794 in Bretten (Großherzogtum Baden) als fünftes von elf Kindern des Gastwirts und Metzgers Friedrich Stiefbold und seiner Ehefrau Maria Katharina geboren. Seine Eltern betrieben damals die Kneipenwirtschaft „Zur Rose“ in Bretten (Württemberg), einen romantischen Wirtshof an der Fernstrecke Nürnberg-Heilbronn-Karlsruhe-Straßburg. Das Publikum bestand überwiegend aus Händlern, Künstlern und Komödianten, häufig aber auch aus durchreisenden Edelleuten, die in der benachbarten Schmiede und Stellmacherei Reparaturen an ihren Wagen ausführen ließen.

Wann sich Ferdinand Stiefbold und Christoph Erdmann von Steuben kennenlernten, bleibt unklar. Auch das Wie und Wo dieser Begegnung ist nicht mehr feststellbar. Möglicherweise lernte Steuben den Jungen zwischen 1806 und 1815 im Gasthof von Stiegbolds Eltern kennen, wo er im Rahmen seiner Gesandtschaftstätigkeit häufiger abstieg. Sicher ist: Als Diplomat mit exzellenten gesellschaftlichen Kontakten, finanziell bestens gestellt – er verfügte damals über ein jährliches Salär von 11 000 Gulden - sorgte er höchstpersönlich für Ausbildung und Erziehung des ihm anvertrauten Knaben.

Um die Nobilitierung seines Schützlings bewarb sich Steuben erstmals am 22. Februar 1813. In einem Brief an Seine Durchlaucht Fürst Günther I. von Schwarzburg-Sondershausen heißt es wörtlich: „Verschiedene Pflichten haben mich verbunden, Sorge für ein Kind zu haben und seine Erziehung über mich zu nehmen, die in Genf vollendet wird. Vollkommen mit ihm zufrieden, da er in allem meinen Forderungen entspricht, habe ich gewünscht, soviel als möglich beizutragen, um ihn in den Stand zu setzen, sein Glück zu machen. Im Falle Euer Hochfürstlichen Durchlaucht aber die Gnade haben würden, ihm den Adelsstand zu ertheilen, so würde ich untertänigst bitten, ihm den Namen Friedeburg beyzulegen und ihm zum Wappen zu geben, eine silberne Burg im roten Felde, auf dem Schilfe eine antique Crone und über der Crone einen offenen Helm mit zwey Ölzweygen zu Schildhaltern zwey fliegende silberne Engel welche mit einer Hand einen Palmenzweig halten und das Motto Pax nobis“.

Fürst Günther, der bis dahin weder mit dem jungen Stiefbold noch mit Steuben in näherem Kontakt gestanden hatte, übergab den Vorgang seinem Kammerpräsidenten und Geheimen Rat Wilhelm von Weise. Dieser empfahl dem Antragsteller, das gewünschte Adelsdiplom wegen – so wörtlich - „geänderter Umstände“ einige Jahre zurückzudatieren. Der Grund lag auf der Hand: 1691 war dem Schwarzburger Fürstenhaus von Leopold I., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, das Palatinat (die große Hofpfalzenwürde) verliehen worden, mit dem sie befugt waren, Standeserhebungen und Nobilitierungen vorzunehmen. Diese Befugnis hatte jedoch mit dem verfassungsrechtlichen Ende des Deutschen Reiches im Jahre 1806 geendet.

Nachdem sich Steuben mit dem vorgeschlagenen procedere einverstanden erklärte, wurde ihm die Nobilitierungsabschrift einige Wochen später zugesandt. Ein fünfseitiges Dokument, rückdatiert auf den 1. Oktober 1905, von Seiner Durchlaucht eigenhändig unterzeichnet.

Auszug: „Wir beurkunden hiermit und kraft dieses feierlichen Diploms, dass wir Ferdinand Stiefbold, welcher uns als ein junger Mann, der von gutem Herkommen ist, die beste Erziehung genossen hat, und sich von seiten seines Geistes und Herzens auf das vortheilhafteste auszeichnet und von dem man sich auch fernerhin ein ehrliebendes Betragen versprechen darf, ganz besonders empfohlen worden ist, unter Beylegung des Nahmens Friedeburg in die Praerogation und Vorrechte des Adels des heiligen römischen Reichs als rechtadelich gebohren erhaben, gewürdigt und geadelt haben“.

Dieses Adelsdiplom, das gleichzeitig die Verleihung des gewünschten Wappens beinhaltete, weist gleich mehrere Ungereimtheiten auf:

  • es wurde im Jahre 1813 ausgestellt, als das Palatinatsrecht faktisch und juristisch gar nicht mehr bestand, weil das Deutsche Reich und mit ihm die Funktion eines kaiserlichen Hofpfalzgrafen zu diesem Zeitpunkt schon seit sieben Jahren erloschen war.
  • die erforderlichen Qualifizierungsmerkmale wie Tugendhaftigkeit, Sittsamkeit, ehrsames Verhalten und außergewöhnliche Verdienste konnten keinesfalls für einen Knaben gelten, der im rückdatierten Jahre 1805 gerade erst 11 Jahre alt war.
  • die Nobilitierung Stiefbolds wurde beim Fürsten von Schwarzburg-Sondershausen beantragt, obwohl sein Geburtsort der Gebietshoheit des badischen Fürstenhauses unterstand
  • zwischen der willkürlichen Namensgebung „Friedeburg“ und der Familie Stiefbold oder einem ihrer Vorfahrengeschlechter gibt es nachweislich keine Verbindung.

Beim letztgenannten Punkt könnten jedoch persönliche Gründe Steubens vermutet werden, dessen elffacher Urgroßvater Volkmar (Wolcmarus) Steube erstmalig 1262 als Herr auf Gerbstedt, Hohenthurm und Friedeburg genannt wurde. Die Herrschaft Friedeburg blieb dann über viele Jahrhunderte im Steubenschen Besitz. Die „Beylegung“ dieses Namens erfolgte also offenbar, um die Friedeburger Tradition der Steubens sichtbar als Reminiszens weiterzuführen.

Auch wenn seine Nobilitierung dem bürgerlich geborenen Ferdinand von Friedeburg den Weg in das aristokratische Offizierskorps ebnete – er diente zuletzt als Großherzoglich-badischer Oberstleutnant – musste er den Nachweis über seinen Adel später noch einmal führen: Am 20. August 1855 bat ihn das Ministerium des Großherzoglichen Hauses um eine beglaubigte Abschrift seines Adelsdiploms mit coloriertem Wappen.

Mögen die Hintergründe seines Lebenslaufs auch so manchem Zeitgenossen bekannt gewesen sein, die Wahrheit kam niemals ans Licht. Auch was Christoph Erdmann von Steuben dazu bewogen hat, für den Jungen eine Pflegschaft zu übernehmen und seine Nobilitierung durchzusetzen, ist bis heute ungeklärt. War er ein illegitimer Sohn Steubens oder gar des badischen Fürstenhauses? Alle Recherchen zu dieser Frage blieben bis heute erfolglos. Trotz vielerlei Intervention, in späteren Jahren auch durch die Fürsten von Hohenzollern, hüllt sich das Großherzogliche Haus Baden über die Angelegenheit Stiefbold/Friedeburg in Schweigen.

Sowohl die ungeklärte Herkunft des Großherzoglich - badischen Offiziers Ferdinand von Friedeburg als auch die ungeklärten Umstände seiner Adelserhebung weisen Parallelen zum Schicksal des Predigers Augustin von Steube auf . Nur allzu oft wurden uneheliche Sprösslinge aristokratischer Herkunft in der Feudalgesellschaft vergangener Zeiten bürgerlichen Familien „überlassen“, um den vermeintlichen „Makel“ zu verschleiern. Viele dieser Lebensläufe sind bis zum heutigen Tage Inhalt der historisch - wissenschaftlichen Forschung. Auch die Familie von Friedeburg ist ein Beispiel dafür.


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