Fortsetzung 1

Im Jahre 1904 wird Oberst von Steuben Chef der Manöverabteilung im großen Generalstab und erwirbt sich in dieser Stellung große Verdienste. Auch der Nachfolger Schlieffens, Armee- Generalstabschef Werner von Moltke, schenkt Steuben volles Vertrauen und beruft ihn als Generalmajor in die Stellung des Oberquartiermeisters. Moltke beurteilt General von Steuben am 1. Dezember 1910 wie folgt:

„Ein durch Verstand und Charakter gleichermaßen ausgezeichneter Offizier von weitem, klaren Blick, soldatischem Empfinden und altpreussischer Gesinnung. Seine militärische Begabung, sein treffliches Urteil, sein reges Interesse für den Dienst machen ihn zum höheren Truppen-führer geeignet. Die Qualifikation zum Divisions kommandeur spreche ich ihm unbedingt zu. Im Mobilmachungsfall würde er als Chef des Generalstabes eines Armee-Oberkommandos an seinem Platz sein, wozu ihn nicht nur seine Kenntnis der großen Operationen, sondern auch

seine vortrefflichen Formen und sein Takt besonders geeignet machen. Der Verbleib in seiner jetzigen Stellung, die er sehr gut ausfüllt, ist im dienstlichen Interesse nur bis zu demjenigen Zeitpunkt erwünscht, wo er als Divisionskommandeur Verwendung finden kann.“

Im Frühjahr 1911 übernimmt Steuben als Generalleutnant das Kommando der 36. Division in Danzig. Obwohl er dem Frontdienst lange entfremdet ist – er hatte kein Regiment und keine Brigade geführt – findet er sich in der Praxis schnell wieder zurecht. Seine Tätigkeit als Divisionskommandeur charakterisiert sein Kommandierender Kavallerie-General August von Mackensen am 1. Dezember 1912 wie folgt:

„Eine mittelgroße, eindrucksvolle und ansprechende Persönlichkeit, der Verstand und Charakter auf der Stirn geschrieben stehen und deren Auftreten vortreffliche Formen und unbedingter Takt auszeichnen. Klarer Blick, treffendes Urteil, zähe Willenskraft, Umsicht und Weitsicht, gründliches Wissen und vielseitige Erfahrung machen den Generalleutnant von Steuben zu einem bedeutenden Soldaten. Der Chef des Generalstabes der Armee hat ihm bei der Überweisung hierher die Geeignetheit zum Chef des Generalstabes eines Armee-Oberkommandos zugesprochen. Generalleutnant von Steuben reitet sicher und energisch. Als Divisions-kommandeur steht er völlig auf der Höhe seiner Stelle, sei es in der angemessenen Überwachung der Ausbildung oder in der zweckmäßigen Anlage von Übungen, sei es als gewissenhafter Gerichtsherr oder als energischer Führer. Seine Besprechungen zeichnen sich durch Klarheit, Bestimmtheit und Gehalt aus. Sie und seine ganze von altpreussischem Soldatentum erfüllte und doch der Neuzeit Rechnung tragende Dienstbetätigung wirken in hohem Grade anregend und fördernd auf die ihm unterstellte Truppe. Er ist ein hervorragender tüchtiger Führer und Kommandeur seiner Division und sicherlich zu noch Höherem berufen.“

Es ruft allgemeines Erstaunen hervor, als dieser so hoch bewährte und von allen Vorgesetzten besonders hervorragend beurteilte Soldat im Herbst 1913 an die Spitze der Königlichen Kriegsakademie berufen wird. Auch wenn die Direktoren dieser alten preußischen Kriegsschule fast alle bedeutende Männer waren, war die Dienstlaufbahn des Betreffenden mit dieser Stellung normalerweise abgeschlossen – ein Armeekorps hatte im Frieden keiner der Direktoren bekommen. Generalstabschef von Moltke bittet Seine Kaiserliche Majestät deshalb ausdrücklich darum, Generalleutnant von Steuben bei seiner Beförderung zum Akademie-Direktor ein Patent als General der Infanterie zu verleihen, um ihm später noch die Führung eines Armee-Korps zu übertragen. Ob es dahin gekommen wäre, ist eine offene Frage, die zu beantworten der Ausbruch des ersten Weltkrieges verhinderte.

Nach seiner Beförderung zum General der Infanterie rückt Steuben an der Spitze des XVIII. Reservekorps im Verband der 4. Armee in den Feldzug gegen Frankreich. In den ersten Schlachten des Krieges führt er seine Truppen zum Sieg und wirft den Gegner an die Marne zurück. Der Rückzug von dort bringt für sein Korps neue schwere Kämpfe. Beim Übergang zum Stellungskrieg bildet Steuben mit seinen Truppen den rechten Flügel der 5. Armee.
Am 25. Juni 1915 schrieb der Oberbefehlshaber dieser Armee, der preußische Kronprinz Friedrich Wilhelm, über General von Steuben:

Ein frischer, gesunder und leistungsfähiger Mann. Er ist erst nach dem Übergang zum Stellungskampf zu meiner Armee getreten und hat eine ungünstig gewählte Stellung gegenüber einem über höhend stehenden Gegner dauernd zuhalten und so zu verbessern verstanden, dass sich die Verluste in erträglichem Umfang hielten. Kleine, mit Umsicht und Geschick angelegte, erfolgreiche und offensive Unternehmungen haben einen guten Geist in der Truppe gefördert und erhalten. Persönlich kaltblütig im Gefecht, sorgt er gut für Mann und Ross. Die im Verlauf des Krieges gesammelten Erfahrungen wird er nach Ende des Krieges mit Nutzen für die Armee in jeder Dienststellung zu verwenden wissen. Auch als Kommandierender General im Frieden gut zu verwenden. Bei seinen Untergebenen erfreut er sich großer Beliebtheit.“

Das Jahr 1915 bringt dem angesehenen Militärführer für seine hervorragende Tätigkeit während der Herbst-schlacht in der Champagne den Orden Pour le Merite’. 1916 steht der General bei den schweren Kämpfen um Verdun. Noch kurz vor der Einstellung dieser Kämpfe stürmen Truppen des XVIII. Reservekorps am 3. September 1916 unter Steubens Kommando die französischen Stellungen beiderseits der Souville-Schlucht.


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